Bullerbü mitten in der Stadt

Kleingärten sind längst nicht mehr so spießig wie ihr Ruf. Gerade in Großstädten sind sie eine Art Bullerbü für gestresste Berufstätige, Experimentierfeld für naturverliebte Studierende und wichtiger Rückzugsort für junge Familien geworden. Und manchmal – so lerne ich bei meinen Besuchen auf den Parzellen von Gerd und Hilka – sind sie sogar die Antwort auf Burn Out bzw. stillen die Sehnsucht nach dem Landleben.

Text: Sandra Lachmann, Fotos: Shanice Allerheiligen

Vor rund zehn Jahren sprach man noch zaghaft und leise von einem sich anbahnenden »Generationswechsel« in deutschen Kleingartenvereinen. Inzwischen kann man es laut und mit Überzeugungskraft herausposaunen: Das Dasein als Parzellist:in ist gerade bei Menschen, deren Rentenalter noch in weiter Ferne liegt, schwer angesagt. Gartenzwerge und Jägerzaun weichen mehr und mehr selbstgebauten Palettenmöbeln und Wimpelketten. Gemüse- und Blumenanbau werden auf Instagram dokumentiert und Gartenhäuschen in frischen skandinavischen Farbtönen gestrichen.

 

In Bremen umfassen die Parzellen rund ein Drittel der unversiegelten städtischen Grünflächen. 1.040 Hektar kommen dabei zusammen. Laut Landesverband der Gartenfreunde Bremen e.V., deren Website eine gute erste Anlaufstelle bei Interesse ist, gibt es in der Hansestadt knapp 17.000 Kleingärtner:innen, die sich auf 100 Vereine mit teilweise liebevoll ausgewählten Namen wie »Kornblume«, »Lebensfreude Kattenesch« oder auch »Glückliche Gartenfreunde« verteilen.

 

Generationsübergreifende Garten-WG:

Hilka teilt sich einen Kleingarten

 

Eine von ihnen ist die 38-jährige Hilka Baumann – seit gerade mal fünf Wochen. Ich treffe die Wahl-Bremerin, die als Online-Redakteurin an der Universität Bremen arbeitet, morgens um 9 Uhr unweit des Werdersees im Kleingartengebiet »Am Krähenberg«. Sie steht mit schwarzem Overall unter einem Apfelbaum, an dem ihre Tasche baumelt. Die Morgensonne fällt ihr ins Gesicht. Es ist Donnerstag – und unfassbar still im Vergleich zum urbanen Werktagsgeschehen, durch das ich noch fünf Minuten zuvor geradelt bin.

 

 

Hilka ist Mitglied einer Art generationsübergreifender Garten-WG. Man könnte es auch »Garden-Sharing« nennen, was sie tut. Gemeinsam mit zwei Freundinnen, Wiebke und Karolin, ist sie in den Pachtvertrag ihres Bekannten Nobert eingestiegen. Für den inzwischen über Sechzigjährigen ist sein Kleingarten zwar noch immer ein wichtiger Erholungsort, Beete umgraben und Gemüse anbauen, dazu fehlt ihm inzwischen jedoch die Leidenschaft. Ganz anders bei Hilka und ihren Freundinnen: »Wir haben alle große Lust, hier zu gärtnern. Vor allem darauf, Gemüse anzubauen«, erzählt sie mir. »Und für Norbert ist es total in Ordnung, wenn wir uns hier ein bisschen austoben.«

»Irgendwie spießig. Aber irgendwie auch geil.«

 

Sich eine Parzelle zu besorgen war schon lange ein heimlicher Wunsch von Hilka. »Als ich Mitte 20 war, habe ich mal eine Freundin in Halle besucht, die einen schönen Garten mit Gemüseanbau und so hatte. Seitdem habe ich immer wieder darüber nachgedacht, war aber hin- und hergerissen. Irgendwie fand ich das spießig, aber irgendwie auch geil.« Sie hätte daher auch hin und wieder darüber nachgedacht, ob das Landleben etwas für sie sei, entschied sich aber jedes Mal bewusst dagegen. Statt dessen ging es für sie in den Folgejahren nach Berlin, Schwerin und Bremerhaven. »Durch diese vielen Umzüge habe ich die Kleingarten-Idee natürlich nicht weiterverfolgt.«