Weniger Stress bei Hausaufgaben & Co.

 

Vom Schreiben der ersten Buchstaben über Vokabeltests und Projektwochen bis hin zur Abiprüfung: Kinder und Jugendliche haben in der Schule eine Menge zu lernen. Eltern fragen sich, wie sie dabei eine gute Begleitung sein können. Wir haben uns dazu Tipps bei Stefanie Wulf geholt. Sie ist Eltern- und Familienberaterin in Bremen und hat ein paar Impulse aus der Praxis im Gepäck.

Text: Stefanie Wulf, Grafik: Claudia Nesemann

Eltern, die ihre Kinder in der Schulzeit sinnvoll unterstützen wollen, machen sich viele Gedanken. Die Themen, um die es dabei geht, sind vielfältig: Sie reichen von Einschulung und Hausaufgaben bis hin zu Mobbing und Schulverweigerung. In allen Phasen treibt die Eltern aber vor allem eine Sorge um:  „Wie erreiche ich mein Kind?“ Im Folgenden habe ich acht Fragen aufgegriffen, die helfen können, eine alltagspraktische Antwort zu finden. Meine dazugehörigen Impulse leiten sich aus meiner täglichen Arbeit mit Familien ab. Da ich sehr gut weiß, wie individuell Familien sind, verstehe ich sie mehr als Denkanstoß denn als ultimatives Patentrezept.

 

Stefanie Wulf ist selbstständige Eltern- und Familienberaterin und unterstützt Familien dabei, hinter das Verhalten ihrer Kinder zu schauen, aus den Machtkämpfen auszusteigen und mehr Gelassenheit in den Familienalltag zu bringen. Zudem arbeitet sie fachberatend und fortbildend mit pädagogischen Fachkräften aus KiTas und Schulen und begleitet in KiTas medienpädagogische Projekte mit Kindern.

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WELCHER LERNTYP IST DAS KIND?

Der wichtigste Punkt, um Kinder gut beim Lernen zu begleiten: nicht von sich selbst ausgehen. Eigene Erfahrungen, Muster und Erwartungen sollten bestmöglich reflektiert und ausgeklammert werden. Eltern dürfen sich am Kind orientieren. Dürfen sich möglichst unvoreingenommen die Frage stellen, wie ihr Kind lernt und was es dazu braucht.

Das kann bei mehreren Kindern auch sehr unterschiedlich sein. Nach Frederic Vester gibt es vier Lerntypen:

  • Lernen durch Hören & Sprechen
  • Lernen durch Sehen & Beobachten
  • Lernen durch Anfassen & Fühlen
  • Lernen durch Lesen & Denken

Allein das zu berücksichtigen und herauszufinden, wie es bei den eigenen Kindern ist, kann helfen, dass Lernen mehr Freude macht.

WELCHE ATMOSPHÄRE HILFT MEINEM KIND BEIM LERNEN?

Kinder brauchen eine Atmosphäre, in der sie ohne Angst und Druck, dafür mit Freude lernen können. Dazu gehören zum Beispiel kreative Lernmethoden wie »Lernstraßen«, auf denen als Zwischenstopps Aufgaben liegen, oder Fenstermalstifte, mit denen Matheaufgaben auch mal im Stehen gelöst werden.

BRAUCHT MEIN KIND MEHR BEWEGUNG UND PAUSEN?

Bewegung beim Lernen kann sich sehr positiv auswirken. Ob man beispielsweise auf eine Wiese geht und sich beim Ball Zuwerfen Vokabeln zuruft oder beim Rollerfahren ein Gedicht auswendig lernt – den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Und nicht zu unterschätzen: Pausen. Viele Kinder brauchen nach der Schule erst einmal eine Ruhephase, bevor sie sich mit neuer Energie an die Hausaufgaben setzen können.

WELCHE UNTERSTÜTZUNG MÖCHTE MEIN KIND NOCH?

Kinder im Schulkindalter wollen immer selbstständiger werden. Gut ist, wenn sie das in ihrem Tempo dürfen. So können sie Verantwortung übernehmen und werden gleichzeitig noch von ihren Eltern begleitet. »Selber machen« heißt nicht automatisch »alleine machen«. So kann es helfen, wenn Kinder z.B. in unserer Nähe am Esstisch die Hausaufgaben machen. Wir können uns dazu setzen und selber etwas erledigen. Wenn die Kinder Unterstützung brauchen, bekommen wir es mit.

NUTZE ICH MOTIVIERENDE SPRACHE?

Das Schulsystem ist häufig noch sehr defizitorientiert. Zuhause können wir allein durch unsere Formulierungen den Fokus auf Stärken richten. Wir können Kinder bestärken, dass sie ok sind, wie sie sind. Und sie motivieren, sich Herausforderungen zu stellen. Sätze wie »Guck dir das nochmal an. Dort versteckt sich ein Fehler« oder »8 von 10 Aufgaben sind richtig« im Vergleich zu »Das ist falsch« richten den Blick auf die Ressourcen und das, was schon klappt. Fehler machen zu dürfen, gehört zum Lernen dazu.

ZEIGE ICH INTERESSE?

Um mit unseren Kindern in eine gute Kommunikation zu kommen und sie auch in herausfordernden Zeiten zu erreichen, braucht es ein ehrliches Interesse an dem, was das Kind bewegt und wofür es sich interessiert. Ob das nun das neue Computerspiel ist, was am Nachmittag gespielt wird, oder wir erfahren möchten, warum unser Kind gerade keine Lust auf die Hausaufgaben hat.
Hausaufgaben können sonst zu einem immer wiederkehrenden Streitthema werden. Und je nachdem, wie Eltern darauf reagieren, können Diskussionen in Machtkämpfen enden. Egal wer am Ende gewinnt, Machtkämpfe belasten immer die Beziehung zwischen Eltern und Kind.

WAS KÖNNTE HINTER DEM VERHALTEN STECKEN?

Wichtig ist auch hier die Haltung, mit der wir den Kindern begegnen. Ich finde es wichtig, nicht nur auf das Verhalten zu reagieren, sondern die Ursache zu »erforschen«. Etwas über die Gedanken, Gefühle und Beweggründe für das Verhalten der Kinder herauszufinden. Hier können Eltern in einen Dialog gehen und erfragen, warum das Kind gerade keine Lust auf die Hausaufgaben hat. Wir können fragen: »Was sind das für Hausaufgaben, was fällt daran so schwer, welche*r Lehrer*in oder welches Fach steckt dahinter, welches Gefühl ist gerade da?«

Wenn wir nicht nachfragen, schließt unser Gehirn diese Lücke, wir interpretieren und meinen zu wissen, was der Grund ist. Wenn wir nachfragen, und zwar mit einem ehrlichen Interesse, ganz unvoreingenommen und offen für die Antwort, haben wir die Chance zu erfahren, was unser Kind wirklich bewegt. Manchmal ist es die Beziehung zwischen Kind und Lehrer*in, manchmal ist es eine allgemeine Überforderung und manchmal fehlt einfach die Pause bzw. der Ausgleich nach einem langen Schultag.

WIE KANN ICH MEIN KIND UNTERSTÜTZEN, ENTSCHEIDUNGEN ZU TREFFEN?

Eine für viele Eltern zunächst unmöglich erscheinende Variante, mit der Unlust des Kindes (beispielsweise beim Schlafen gehen oder den Hausaufgaben) umzugehen, ist folgende: Wir können uns im übertragenen Sinne mit unserem Kind auf eine Tribüne am Spielfeldrand setzen und zusammen Strategien besprechen und überlegen, was auf dem Spielfeld passieren könnte, wenn unser Kind zu spät ins Bett geht oder die Hausaufgaben nicht macht. Wir gehen mögliche Wege und Szenarien also erstmal nur im Kopf durch.

Am Ende kann unser Kind ein Stück weit Verantwortung für die Situation und seine eigene Entscheidung übernehmen, soweit wir diese mittragen können. Wichtig ist, dass wir in Verbindung bleiben, dies begleiten und unser Kind damit nicht alleine lassen. Dass wir am nächsten Tag nachfragen, wie es dem Kind damit ergangen ist, was es für Erfahrungen gemacht hat und wie sich unser Kind damit gefühlt hat.

So kann unser Kind mit unserer Begleitung Verantwortung übernehmen und wertvolle Erfahrungen sammeln. Es fühlt sich gleichzeitig in seinem Anliegen gesehen und verstanden. Und wir schaffen eine Vertrauensbasis und eine stabile Eltern-Kind-Beziehung, die auch in der herausfordernden Zeit der Pubertät auf einem guten Fundament steht, und die durch Konflikte weniger belastet wird.